Friedrich-Wilhelm Lindemann

Buchtips

 

Hartwig von Schubert, Wolfgang Kinzinger, Heiner Lücke-Janssen, Barbara Schneider, Wolfgang Schrödter, Wolfgang Vogelmann: 
Von der Seele reden. Eine empirisch-qualitative Studie über psychotherapeutische Beratung in kirchlichem Auftrag, Neukirchen-Vluyn: Neukirchner, 1998, 279 S., 68,-- DM

Am Anfang dieser Studie stand, veranlaßt durch die Debatte über das Psychotherapeutengesetz Anfang der 90iger Jahre die Frage: Was passiert genau in Prozessen psychotherapeutischer Beratung im kirchlichen Auftrag? Man suchte empirisches Material, um Beratung und Seelsorge, sofern sie mit psychotherapeutischen Mitteln arbeiten, als genuine Formen kirchlich-diakonischen Handelns begründen und vom Geltungsanspruch des Psychotherapeutengesetzes ausnehmen zu können.

In einem insbesondere von H. von Schubert initiierten Forschungsprojekt von 1993 bis 1997 wurden Interviews mit Leiterinnen und Leitern Psychologischer Beratungsstellen in evangelischer Trägerschaft und mit pastoralpsychologisch arbeitenden Seelsorgern und Seelsorgerinnen geführt, die von der Autorengruppe mit Methoden empirisch-qualitativer Forschung ausgewertet wurden. Gleichzeitig erörterte man in einem breit angelegten Konsultationsprozeß sozialwissenschaftliche und theologisch-philosophische Konzepte für den Entwurf einer geeigneten Theorie kirchlichen Handelns.

Die empirischen Untersuchungen, dokumentiert in den ersten beiden Kapiteln, haben zwar nicht zu den erhofften Auskünften über Verläufe und Ergebnisse evangelischer Beratungsarbeit geführt, aber unerwartet deutlich gemacht, wie stark der jeweilige institutionelle und organisatorische Rahmen Aussagen über das fachliche Handeln bestimmt, d. h. in diesen Fällen beeinträchtigt: Strukturprobleme traten in den Gesprächen mit Leiterinnen und Leitern in den Vordergrund. Deren Aufklärung und Lösung ist der umfassendste Teil des Buches gewidmet: in einem profunden Theoriekapitel (III) wird Psychologische Beratung als professionelles Handeln innerhalb der Organisation Kirche sozialwissenschaftlich und systematisch-theologisch als Fall christlicher Praxis in der und für die Gesellschaft differenziert bestimmt.

Man lernt ungeheuer viel bei der Lektüre. Praktisch wird gezeigt, wie wichtig es ist, daß Professionelle und Träger in einem sorgfältig abgestuften Aushandlungsprozeß sich über Grundlagen, Auftrag und Ziele der Arbeit einigen. Nur so können Professionelle hinreichend Unterstützung finden, nur so geht Kirche gut und auftragsgemäß mit ihren Ressourcen um.

Ursula E. Straumann, Wolfgang Schrödter (Hgs.), Verstehen und Gestalten. Beratung und Supervision im Gespräch, Köln: GwG-Verlag 1998, 208 S., 39,80 DM

Dieser Reader versammelt Aufsätze zum Thema "Klientenzentrierte Supervision", d.h. zur Frage, ob und wie weit der klientenzentrierte Ansatz nach C. Rogers sich verbinden läßt mit Supervisionsaufgaben, die die Arbeitsbedingungen von Gruppen und Teams sowie deren institutionelle Hintergründe berücksichtigen. Wolfgang Kinzinger hebt in seinem Beitrag an einem Fallbeispiel hervor, daß therapeutische Ansätze um weitere Konzepte und Kompetenzen ergänzt werden müssen, um die hohe Komplexität des organisatorischen Rahmens therapeutischen Handelns in der Supervision zu erfassen. Andernfalls würden Supervisanden therapeutisiert statt in die Lage versetzt, entsprechend der Komplexität ihres Arbeitsfeldes ihre Arbeit ziel- und zweckgerichtet tun zu können.

W. Schrödter erläutert in seinem Beitrag "Verstehen, Selbstaktualisierung und Selbstorganisation - Schlüsselkonzepte für Beratung und Supervision?" Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Konzepten aus der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie mit und zu systemtheoretischen Begriffen. Der Leser erfährt durchgehend, wie sehr es sich lohnt, sich durch ungewohnte Denkweisen aufstören zu lassen.

Roland Kachler, Vom Geheimnis glücklicher Paare. Stuttgart: Quellverlag 1999, 213 S., 29,80 DM

Der Autor beschreibt Entwicklungschancen und -krisen der Paarbeziehung in den verschiedenen Phasen des Lebenszyklus. Besonderheiten, Herausforderungen, Probleme und Lösungsmöglichkeiten werden für jede Phase an Beispielen aus der Beratungspraxis dargestellt - gemeinverständlich (wenn man "symbiotisch" und "polarisierend" der Alltagssprache zuschlägt) und erfahrungsnah. Das Besondere seines Ratgebers ist, daß jeder Phase eine biblische Symbolgeschichte zugeordnet wird. So stehen die Liebenden aus dem Hohen Lied - "Stört die Liebe nicht" - für die Zeit des ersten Verliebtseins; Adam und Eva für den "Abschied vom rosaroten Traum"; Noah und seine Frau für die Familienphase, in der die Partnerschaft von der Vielfalt der Anforderungen überflutet zu werden droht; David und Bathseba für die Außenbeziehung; Abraham und Sarah für das Paar im Alter; Jesus und Maria-Magdalena für die "Kunst des Sich-Trennens"; schließlich Salomon und die Königin von Saba für das Geheimnis der Liebe, um nur einige zu nennen. Wer sich darüber wundert, was der Autor an heutiger Partnerthematik bereits in der Bibel findet, wird Lust bekommen, dort noch einmal genau hinzuschauen. Differenzierung des Blicks sowie Mut, auf die Gaben der Liebe zu vertrauen und wenn nötig um sie zu kämpfen, das darf man von der Lektüre dieses Buches erwarten.

Hildegard Baumgart, Bettine Brentano und Achim von Arnim. Lehrjahre einer Liebe, Berlin: Berlin-Verlag 1999, 512 S., 48,-- DM

Die berühmten Ehebriefe Bettine und Achim von Arnims (Inseltaschenbuch Nr. 1095) gehören zum Schönsten und Lehrreichsten, das man lesen kann, zumal wenn man sich für Beziehungsdynamik und Kommunikationsmöglichkeiten von Paaren interessiert. Wie nun die beiden sich kennen und lieben lernten, wie zwei völlig gegensätzliche Charaktere aus höchst unterschiedlichen Elternhäusern zueinander finden und doch jeder ganz er und sie selbst bleibt, das erfährt man aus Hildegard Baumgarts Doppelbiographie. Auch hier kommen Bettine und Achim in ihren hinreißenden Briefen selbst reichlich zu Wort im Kontext des spannungsreichen kulturellen und politischen Lebens im vorrevolutionären Deutschland. Dieses Buch ist ein "Muß" nicht nur für Ehe- und Paarberater.

Ilse Henle, Lebensansichten eines alten Apo-Katers, Roman, Münster Westfalen: Prinzipal-Verlag, 1998, 248 S., 24,50 DM

"Wer redet denn von einem Katzenbuch? Ich will kein Heia-popeia-Büchlein über Samtpfoten! Ich war in meiner Jugend der berühmte Apo-Kater und später ein Star in der Modebranche, ich habe in St. Moritz in ersten Kreisen verkehrt, sogar an der Beisetzung eines trojanischen Prinzen habe ich teilgenommen, und das war notabene eine großkönigliche Hoheit aus einem der ältesten Herrscherhäuser der Welt! Du mußt dir nur einen zugkräftigen Titel ausdenken!", so Kater Maximilian zur Autorin am Ende seines Lebens. Ilse Henle liefert einen parodistischen Rückblick auf die 68er, in dem fast nichts unerwähnt bleibt. Es geht von der Kommune II in Schwabing zum Jetset in "Jörlimann’s au Lac" in St. Moritz, Horst Eberhard Richter, Habermas, Dahrendorf, Ganymed, Marx, auch Gucci und Chanel Nr. 5 kommen vor sowie der Katzenanalytiker Dr. Maus: flott, leicht, erinnerungsträchtig.